Wie beurteilen Sie das Innovationspotenzial aus der Zivilgesellschaft im Verhältnis zu den scheinbar unbegrenzten Ressourcen von Big Tech?
Das möchte ich nicht gegeneinander ausspielen, aber natürlich sehen wir bei unserem Förderwettbewerb, wie innovationsfördernd ein freier, uneingeschränkter und transdisziplinärer Raum sein kann. Es ist immer wieder beeindruckend, wie kreativ Menschen aus unterschiedlichen Kontexten zusammenarbeiten können; und das nur an einem Nachmittag. Da tut man sich in großen Unternehmen mit eingefahrenen Strukturen häufig schwerer.
Wie erleben Sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bereiche Public-Interest-Tech und Open Source? Ist das Interesse in der Zivilgesellschaft an entsprechenden Tools, aber auch aus der Wirtschaft gestiegen?
Es hat eine Art Beschleunigung gegeben. Die Corona-Pandemie hat die Notwendigkeit von Open-Source-Software erhöht, da sie schneller anpassbar ist als zentralisierte Systeme. In einer Herausforderung wie einer Pandemie, in der neben qualifizierten Mitarbeitenden plötzlich auch viele Ehrenamtliche helfen wollen, kann man so viel rascher reagieren, da man nicht erst die formalisierten Prozessschritte durchlaufen muss. Ich denke, die Bedeutung von offenen Daten wurde in der Krise wirklich offensichtlich. Teilweise wurden wichtige Daten für tagesaktuelle Entscheidungen benötigt, sie waren aber nicht immer da.
Thematisch geht es bei Ihren Förderprojekten neben Civic-Tech, IT-Sicherheit, Data-Literacy auch um Software-Infrastruktur. Warum ist es wichtig, die Infrastruktur zu fördern?
Die besten Software-Anwendungen sind nicht gut, wenn sie auf schlecht gewarteten oder vernachlässigten Systemen beruhen. Wir müssen Software-Infrastruktur daher nicht anders behandeln als die Infrastruktur, die wir sehen und täglich benutzen: nämlich als Teil der Daseinsvorsorge, die entsprechend gepflegt werden muss, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist die Herausforderung.
Wie steht es derzeit um die Digitalkompetenz in Deutschland und welchen Stellenwert hat die Fähigkeit, Daten einzuordnen und zu verstehen?
Ich möchte mir nicht anmaßen, die Digitalkompetenz in Deutschland generell zu bewerten, Fakt ist aber: Die Fähigkeit, Daten zu verstehen, ist essentiell. Wir sind heutzutage in der Lage, unendliche viele Daten zu erheben, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden, die uns alle betreffen. Da braucht es eine solide Grundlage. Data-Literacy muss deswegen als Thema vermittelt werden, sonst wird sicheres Auftreten und eine fundierte Meinungsbildung in einer datengetriebenen Welt schwierig werden.
Sie haben die Auszeichnung der überzeugendsten Ideen beim Wettbewerb der Civic Innovation Platform als Kooperationspartnerin begleitet. Wo liegen Ihrer Meinung nach jetzt die größten Herausforderungen für die Teams bei der Ausgestaltung ihrer Projektideen?
Die eigenen Ambitionen sind oft eine große Herausforderung. Meist passen sie nicht mit der zur Verfügung stehenden Zeit zusammen, das ist hart. Es gilt zu hinterfragen, was man tatsächlich braucht. Besonders am Anfang sollte der Fokus auf den Kernaspekten und Zielen des Projektes liegen, denn am Ende muss sich jedes Projekt an seiner Wirksamkeit messen lassen. Neben der Arbeit am eigenen Projekt geht es aber auch um den Aufbau eines Netzwerkes. Das ist zwar ebenfalls zeitintensiv, aber sehr wichtig, um ein Projekt langfristig nachhaltig zu gestalten.
Frau Groh, herzlichen Dank für das Gespräch.