Adriana Groh, war bis 2021 Leiterin des Prototype Funds. In ihrer damaligen Funktion als Director hat sie mit uns über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Open-Source Software, souveränes Auftreten in einer datengetriebenen Welt und notwendige Kompetenzen für die Entwicklung von gemeinwohlorientierten, technologischen Anwendungen gesprochen. Der Prototype Fund wird heute von Marie Kreil gemeinsam mit Patricia Leu geleitet.
„Für Public Interest Tech-Projekte braucht es ein gutes Netzwerk!“
Interview mit Adriana Groh anhören:
Denkfabrik: Frau Groh, der Prototype Fund ist Kooperationspartner der Civic Innovation Platform. Warum finden Sie die Zusammenarbeit spannend?
Groh: Sowohl der Prototype Fund als auch die Civic Innovation Platform fördern Akteur*innen, die Innovationen und technologische Entwicklungen mit sozialem Mehrwert vorantreiben. Die Zusammenarbeit macht es möglich, unsere Erfahrungen und Learnings untereinander auszutauschen. Dadurch entstehen wichtige Synergieeffekte.
Denkfabrik: Welchen Mehrwert bietet die Civic Innovation Platform?
Groh: Oft ist gerade die Partnersuche für größere Projekte schwierig. Hier ist die Vernetzung auf der Plattform ein wichtiger Baustein.
Denkfabrik: Der Prototype Fund ist ein Förder- und Forschungsprogramm für Open-Source Ideen im Bereich Public Interest Tech. Wie ist die Initiative entstanden und an wen richtet sich das Projekt?
Groh: Die Initiative ist 2016 aus den Erfahrungen mit dem Netzwerk Code for Germany hervorgegangen. Code for Germany ist ein deutschlandweites, ehrenamtliches, dezentrales Netzwerk für Menschen, die sich mit ihren Fähigkeiten in den Bereichen Software-Entwicklung, Design oder Datenjournalismus für das Gemeinwohl einsetzen. Mit dem Prototype Fund wollen wir Innovationen aus der digitalen Zivilgesellschaft fördern und eine sehr niedrigschwellige Förderung etablieren, die neue Zielgruppen in der freien Software-Community erreichen kann. Das Projekt befähigt viele Menschen, ihre Ideen auszutesten und zieht in jeder Runde rund 300 Bewerbungen an.
Denkfabrik: Welche Kompetenzen braucht es, damit gute Public Interest Tech Projekte entstehen? Worauf kommt es bei der Ideenentwicklung an?
Groh: Es ist nicht unbedingt vorteilhaft, von der Technologie her zu denken, die man umsetzen will. Es lohnt sich eher, das Problem in der Tiefe kennenzulernen und sich mit der Community auszutauschen, die sich mit der spezifischen Fragestellung schon länger beschäftigt. Diese Community kann dann auch bei der Lösungsfindung einbezogen werden. So stellt man sicher, dass die technischen Anwendungen mit den betroffenen Personen entwickelt werden und nicht für sie.
Denkfabrik: Spielt die Frage von Open Source auch eine Rolle?
Groh: Ja. Nach unserem Verständnis basiert Public Interest Tech immer auf Open-Source-Ansätzen, wegen einer höheren Transparenz, einer theoretisch höheren Sicherheit und einer besseren Nutzbarkeit. Die Verwendung von Open-Source-Lizenzen ermöglicht es der Community, an den geförderten Produkten weiterzuarbeiten, sie kontinuierlich zu verbessern und in Stand zu halten. Sie ist für uns ein weiteres, wichtiges Kriterium für Public Interest Tech.
"Es lohnt sich, das Problem in der Tiefe kennenzulernen und sich mit der Community auszutauschen. Diese Community kann dann auch bei der Lösungsfindung einbezogen werden. So stellt man sicher, dass die technischen Anwendungen mit den betroffenen Personen entwickelt werden und nicht für sie."
Adriana Groh
Denkfabrik: Wie beurteilen Sie das Innovationspotenzial aus der Zivilgesellschaft im Verhältnis zu den scheinbar unbegrenzten Ressourcen von Big Tech?
Groh: Das möchte ich nicht gegeneinander ausspielen, aber natürlich sehen wir bei unserem Förderwettbewerb, wie innovationsfördernd ein freier, uneingeschränkter und transdisziplinärer Raum sein kann. Es ist immer wieder beeindruckend, wie kreativ Menschen aus unterschiedlichen Kontexten zusammenarbeiten können; und das nur an einem Nachmittag. Da tut man sich in großen Unternehmen mit eingefahrenen Strukturen häufig schwerer.
Denkfabrik: Wie erleben Sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bereiche Public-Interest-Tech und Open Source? Ist das Interesse in der Zivilgesellschaft an entsprechenden Tools, aber auch aus der Wirtschaft gestiegen?
Groh: Es hat eine Art Beschleunigung gegeben. Die Corona-Pandemie hat die Notwendigkeit von Open-Source-Software erhöht, da sie schneller anpassbar ist als zentralisierte Systeme. In einer Herausforderung wie einer Pandemie, in der neben qualifizierten Mitarbeitenden plötzlich auch viele Ehrenamtliche helfen wollen, kann man so viel rascher reagieren, da man nicht erst die formalisierten Prozessschritte durchlaufen muss. Ich denke, die Bedeutung von offenen Daten wurde in der Krise wirklich offensichtlich. Teilweise wurden wichtige Daten für tagesaktuelle Entscheidungen benötigt, sie waren aber nicht immer da.
Denkfabrik: Thematisch geht es bei Ihren Förderprojekten neben Civic-Tech, IT-Sicherheit, Data-Literacy auch um Software-Infrastruktur. Warum ist es wichtig, die Infrastruktur zu fördern?
Groh: Die besten Software-Anwendungen sind nicht gut, wenn sie auf schlecht gewarteten oder vernachlässigten Systemen beruhen. Wir müssen Software-Infrastruktur daher nicht anders behandeln als die Infrastruktur, die wir sehen und täglich benutzen: nämlich als Teil der Daseinsvorsorge, die entsprechend gepflegt werden muss, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist die Herausforderung.
Denkfabrik: Wie steht es derzeit um die Digitalkompetenz in Deutschland und welchen Stellenwert hat die Fähigkeit, Daten einzuordnen und zu verstehen?
Groh: Ich möchte mir nicht anmaßen, die Digitalkompetenz in Deutschland generell zu bewerten, Fakt ist aber: Die Fähigkeit, Daten zu verstehen, ist essentiell. Wir sind heutzutage in der Lage, unendliche viele Daten zu erheben, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden, die uns alle betreffen. Da braucht es eine solide Grundlage. Data-Literacy muss deswegen als Thema vermittelt werden, sonst wird sicheres Auftreten und eine fundierte Meinungsbildung in einer datengetriebenen Welt schwierig werden.
Denkfabrik: Sie haben die Auszeichnung der überzeugendsten Ideen beim Wettbewerb der Civic Innovation Platform als Kooperationspartnerin begleitet. Wo liegen Ihrer Meinung nach jetzt die größten Herausforderungen für die Teams bei der Ausgestaltung ihrer Projektideen?
Groh: Die eigenen Ambitionen sind oft eine große Herausforderung. Meist passen sie nicht mit der zur Verfügung stehenden Zeit zusammen, das ist hart. Es gilt zu hinterfragen, was man tatsächlich braucht. Besonders am Anfang sollte der Fokus auf den Kernaspekten und Zielen des Projektes liegen, denn am Ende muss sich jedes Projekt an seiner Wirksamkeit messen lassen. Neben der Arbeit am eigenen Projekt geht es aber auch um den Aufbau eines Netzwerkes. Das ist zwar ebenfalls zeitintensiv, aber sehr wichtig, um ein Projekt langfristig nachhaltig zu gestalten.
Denkfabrik: Frau Groh, herzlichen Dank für das Gespräch.